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Arbeitgeber

Das müssen Sie zu den neuen Mindestlöhnen im GAV Personalverleih wissen

Vom Mindestlohn in der Schweiz bis zur Einführung von Mindestlöhnen durch den Gesamtarbeitsvertrag und näheren Informationen zum Personalverleih, finden Sie in diesem Artikel das wichtigste kurz und übersichtlich zusammengefasst.
Mike Haas

01.10.2022

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4 min Lesezeit

Gibt es einen Mindestlohn in der Schweiz?

In der Schweiz greift der Staat bisher nur zurückhaltend und punktuell in die Arbeitsbedingungen der Wirtschaft ein. Zwar geben das Obligationenrecht und das Arbeitsgesetz mit seinen Verordnungen einen gewissen Rahmen vor, speziell bei den Lohnbedingungen gibt es aber einen relativ grossen Spielraum. Ausgenommen von den Regelungen im Normalarbeitsvertrag Hauswirtschaft gibt es in der Schweiz keinen nationalen Mindestlohn. In den letzten Jahren haben aber immer mehr Kantone eigene Mindestlöhne eingeführt. Das Stimmvolk der Kantone Jura, Genf, Tessin, Neuenburg und Basel-Stadt haben jeweils einem kantonalen Mindestlohn zugestimmt. In allen anderen Kantonen werden die Mindestlöhne traditionell privatwirtschaftlich und branchenspezifisch in sogenannten Gesamtarbeitsverträgen (GAV) ausgehandelt.

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Einführung von Mindestlöhnen durch Gesamtarbeitsvertrag

Ein Gesamtarbeitsvertrag kommt zustande, wenn sich eine Arbeitgebervereinigung (z.B. Gewerkschaft) mit einem Arbeitgeber (z.B. Migros, Swisscom, usw.) oder einem Arbeitgeberverband (z.B. Baumeisterverband, GastroSuisse, usw.) auf verbindliche Mindeststandards für die Arbeitsbedingungen einigt. Die ausgehandelten Bedingungen betreffen insbesondere Arbeitszeiten, Kündigungsfristen, Kranken- und Unfallleistungen und eben Mindestlöhne. Sie gelten grundsätzlich nur für die Vertragsparteien, d.h. für die der Gewerkschaft angeschlossenen Mitarbeitenden und die Arbeitgeber bzw. die Mitglieder des Arbeitgeberverbandes. In Branchen ohne Gesamtarbeitsvertrag besteht ein gewisses Missbrauchspotential. Unter anderem gab es in der Vergangenheit auf dem Bau, im Baunebengewerbe oder im Gastgewerbe Fälle von Lohndumping. Zusätzlich das Problem verschärft haben ausländische Firmen, welche in der Schweiz Aufträge erledigten, sich aber nicht an die hiesigen Gesetzte gehalten haben. Um den dadurch verursachten Wettbewerbsverzerrungen entgegenzuwirken, kann der Bundesrat auf Antrag der Vertragsparteien und unter gewissen Voraussetzungen einen Gesamtarbeitsvertrag allgemeinverbindlich erklären. Durch die Allgemeinverbindlicherklärung gelten die Regelungen des Gesamtarbeitsvertrags nicht mehr nur für die Vertragsparteien, sondern für alle Firmen und Mitarbeitenden, welche in der entsprechenden Branche tätig sind. Entsprechend müssen auch ausländische Firmen, welche Aufträge in der Schweiz erledigen, ihren Mitarbeitenden den Schweizer Mindestlohn bezahlen. Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrags sorgt in dieser Hinsicht bei allen Arbeitgebern der Branche für gleiche Voraussetzungen.

Gibt es einen GAV Personalverleih?

Im Jahr 2012 wurde ein Gesamtarbeitsvertrag für alle Personalvermittler ausgehandelt, der sogenannte GAV Personalverleih. Vertragsparteien waren die Gewerkschaften Unia, Syna, KV Schweiz und Angestellt Schweiz als Arbeitnehmervertreter und der Arbeitgeberverband swissstaffing. Die Parteien haben sich im GAV Personalverleih auf Mindeststandards geeinigt, welche für alle Mitarbeitenden gelten, die bei einem Personalvermittler angestellt sind und an Kunden verliehen werden. Der GAV Personalverleih hat damit einen Einfluss auf jene Einsatzbetriebe, die Personalvermittelte, d.h. temporäre Mitarbeitende beschäftigen. Neben den Mindestlöhnen wurden im GAV Personalverleih Regelungen betreffend Überzeitzuschläge, berufliche Vorsorge, Krankentaggeldleistungen, usw. für allgemeinverbindlich erklärt. Auch die Universal-Job AG unterliegt als Personaldienstleister den Bestimmungen zu den Mindestlöhnen des GAV Personalverleih.

Während auf die temporären Mitarbeitenden die Regelungen des GAV Personalverleih betreffend beispielsweise Überzeitzuschläge Anwendung finden, gelten diese speziellen Regelungen für Festangestellte nicht. Temporäre Mitarbeitende werden damit gegenüber Festangestellten in gewissen Konstellationen bessergestellt. Ein Beispiel: In der Buchhaltungsabteilung ist jeweils am Jahresanfang und -ende Hochsaison. Die Abschlussarbeiten müssen finalisiert und die letzten Buchungen erfasst werden. So können die Arbeitstage in dieser Zeit schon einmal etwas länger dauern. Die temporär angestellte Buchhalterin erhält, wenn sie mehr als 9.5 Stunden pro Tag oder 45 Stunden in der Woche arbeitet, zwingend einen Überzeitzuschlag von 25%. Dies unabhängig davon, ob sie am nächsten Tag nur 5 Stunden arbeitet oder in der Folgewoche die Mehrstunden kompensiert. Ihr festangestellter Kollege, der ebenfalls als Buchhalter tätig ist, erhält für diese Zeit keinen Überzeitzuschlag und wird dadurch finanziell schlechter gestellt.

Mindestlöhne für 2022 und 2023 gemäss GAV Personalverleih

Wie bei allen Gesamtarbeitsverträgen werden auch beim GAV Personalverleih jährlich, oder zumindest periodisch, die Mindestlöhne angepasst. Die Vertragspartner des GAV Personalverleih haben sich darauf geeinigt, die Mindestlöhne für die Jahre 2022 und 2023 erneut zu erhöhen. Die Monatslöhne steigen in den nächsten Jahren jeweils um CHF 40.- pro Monat. Beispielsweise verdienen ungelernte Mitarbeitende im Alter von 20 – 50 Jahren in der Normallohnregion im Jahr 2022 im Minimum CHF 3'590.- und im Jahr 2023 CHF 3'640.-. Auf die Stunde heruntergerechnet und inkl. Feiertags- und Ferienzuschlag sowie 13. Monatslohn entspricht dies einem Mindestlohn von CHF 23.58/Stunde für das Jahr 2022 und CHF 24.12/Stunde für das Jahr 2023.

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Vor- und Nachteile von Mindestlöhnen

Wie alles im Leben hat auch der GAV Personalverleih Vor- und Nachteile. Der mithin grösste Vorteil der Festlegung von Mindestlöhnen kann in der Zielsetzung gesehen werden, den Mitarbeitenden einen würdigen Lohn zu verschaffen. Gleichzeitig kann durch die Einführung von Mindestlöhnen Lohndumping effektiv bekämpft werden. Daneben wird die Gleichstellung von Mann und Frau in Bezug auf den Lohn gefördert, da die Mindestlöhne unabhängig vom Geschlecht des Mitarbeitenden gewährt werden.

Ein Nachteil des GAV Personalverleih besteht darin, dass der Einsatzbetrieb herausragende Leistungen von Arbeitnehmenden unter Umständen nicht mehr finanziell belohnen kann. Dies ist der Fall, wenn die Erhöhung der Mindestlöhne in einer Branche eine Firma betrifft, die nur ein begrenztes Lohnbudget hat. Nach Auszahlung der erhöhten Löhne hat die Firma keine Kapazitäten mehr zur Verfügung, um herausragende Leistungen von Mitarbeitenden zu honorieren. Daneben kann auch als stossend erscheinen, dass, wie oben beschrieben, nur das verliehene Personal dem GAV Personalverleih untersteht. Während der Einsatzbetrieb in Bezug auf verliehenes Personal die Mindestlöhne des GAV Personalverleih einzuhalten hat, ist er bei Festangestellten an keine Vorgaben betreffend Lohnhöhe und Zulagen gebunden. Das kann dazu führen, dass die Beschäftigung von verliehenem Personal wegen der vorgeschriebenen Mindestlohnhöhe für den Einsatzbetrieb finanziell unattraktiv wird. Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf die 350'000 – 400'000 Temporärmitarbeitenden in der Schweiz.

Die erwähnten positiven und negativen Punkte sind gegeneinander abzuwägen. Es ist Aufgabe der jeweiligen Vertragspartner, sicherzustellen, dass sich die Vor- und Nachteile die Waage halten.

Über den Author

Mike Haas

Leiter interne Dienste

Mike ist HR Fachmann und dipl. Betriebswirtschafter mit einem CAS in Arbeitsrecht. Mit über 17 Jahren bei der universaljob hat er sehr viel Erfahrung mit der Gesetzgebung in unserer Branche. Privat ist Mike viel in den Bergen unterwegs, sei es beim Bergsteigen, Skifahren oder auf einer Skitour.